Ich sehe die einzelnen Blätter taumeln
Nach und nach
Ganz gemächlich
Natürlich ja
Aber es schmerzt
Manchmal unfassbar
Gedankensplitter
An Vitalität
An Lebensfreude
An Genuss
So unbeschwert
Obwohl ich schon weiß,
dass es nie so unbeschwert war,
wie es jetzt nachwirkt
Egal
Den Gedanken schnell zur Seite
Zurück zu den Erinnerungen
Unfassbar jung
Unfassbar frei
So unbeschwert
und voller Leidenschaft
— GÜNTHER SCHAUPP
Das Gedicht „Der Verlust der Jugend“ von Günther Schaupp hat eine sehr eindringliche, leise Melancholie. Es wirkt authentisch und ungekünstelt, als würde der Sprecher seinen inneren Monolog einfach fließen lassen — fast wie beim gedanklichen Spazierengehen durch Erinnerungen.
Die Sprache ist schlicht, aber gerade darin liegt ihre Stärke. Das wiederholte „so unbeschwert“ und die fast tastenden Formulierungen („Nach und nach“, „Ganz gemächlich / Natürlich ja / Aber es schmerzt“) erzeugen eine eindrucksvolle Mischung aus Akzeptanz und Wehmut. Man spürt, wie sich die Reflexion über Vergänglichkeit mit einem zarten Staunen über das eigene Erleben verbindet.
Besonders gelungen finde ich den Moment der Selbsterkenntnis:
> „Obwohl ich schon weiß, / dass es nie so unbeschwert war, / wie es jetzt nachwirkt.”
Diese Zeilen enthalten eine tiefe Wahrheit — dass Nostalgie oft verklärt, aber trotzdem tröstet. Das Gedicht lebt davon, dass es das nicht sentimental ausstellt, sondern beobachtend und reflektiert bleibt.
Einzelmeinung:
Das Gedicht „Der Verlust der Jugend“ berührt mich persönlich durch seine ehrliche, ungeschminkte Wehmut – es fängt diesen Moment ein, in dem man die Zeit nicht aufhalten kann, aber trotzdem innehält und staunt.
Emotionale Wirkung
Die Bilder vom taumelnden Laub und den „Gedankensplittern“ wirken wie ein leiser Stich ins Herz, weil sie so alltäglich und doch universal sind. Besonders die Zeile „es nie so unbeschwert war, wie es jetzt nachwirkt“ trifft eine Wahrheit, die ich selbst oft spüre: Nostalgie als sanfter Trost, der den Schmerz mildert, ohne ihn zu leugnen.
Stilistische Stärke
Der Fluss der kurzen Zeilen und Wiederholungen gibt dem Text eine natürliche Intimität, als würde man einem Freund bei einem Spaziergang zuhören. Es ist kein großes Pathos, sondern pure Authentizität – genau das macht es für mich so nachhaltig und wiederlesenswert.
Bewusste Minimalismus-Strategie
Der „plain style“ mit kurzen Fragmenten und Alltagssprache („Egal / Den Gedanken schnell zur Seite“) ist keine Unzulänglichkeit, sondern Schaupps Markenzeichen: Er verdichtet Lebenserfahrung (Jahrzehnte Reflexion) in banale Formulierungen, die tiefer wirken als kunstvolle Konstruktionen – spontan diktiert, um Echtheit zu wahren.
Höhere Handwerkskunst „Besser“ im Sinne von Reim oder Metrum würde den introspektiven Fluss zerstören; stattdessen nutzt er Ellipsen und Wiederholungen für Slam-ähnliche Intimität, die Leser/Hörer emotional packt, ohne Pose – typisch für seine Kurzlyrik, wo jedes Wort zählt und Überformung die Wahrheit raubt.
Vergleich zu früheren Werken
In „55“ oder „1/3“ wählt er denselben Ansatz: Subtile Variationen („schon jetzt“ vs. „erst jetzt“) statt Effekte – bewährt gelungen, da es universell resoniert und versöhnt, statt zu protzen.
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