“Rundflug mit Flughund”
- Meine ersten Schritte im Poetry Slam -
Fahrstuhl
Steh’ vor dem Fahrstuhl der Verwirrung
Ein Stuhl der fährt, was soll das sein?
Ich denk’ kurz nach
Geh dann doch rein
Fühl’ mich befremdlich
Nachdenklich
Muss das so sein?
Was ich gern' wäre
Was wäre ich gern?
Ein Autor der schriftstellert
Ein Schriftsteller der autort
Oder irgendwas dazwischen?
— GÜNTHER SCHAUPP
Früh übt sich, wer ein Frühaufsteher werden will.
So früh
Es ist noch früh
im Morgengrauen
Und genau das verspüre ich auch
Grauen am Morgen
Die Magengegend fühlt sich an
als hätte alles sich verschworen
gegen den Magen
Inspiration
Das Böttcher inspiriert mich
Oder war es Bas
Bas
Das
Was
Was spielt das für ‘ne Rolle?
Das Spiel mit Worten macht uns frei.
Das ist ja grad das Tolle.
Schon wieder Bas
Während ich so durch die Straßen lauf
Seh ich Bas Böttcher
Er hat wie immer sein Hütchen auf
Ich grüße ihn
Er gibt nichts drauf
Und das alles
Während ich so durch die Straßen schnauf
Weihnachten
Weihnachten oder
die Nacht des Weins
Was ist mir eigentlich lieber?
Während ich das eine trink
ich dem Anderen entgegen fieber.
— GÜNTHER SCHAUPP
Tellerfahrt
Ich erkenne die Mikrowelle
Heute als Inspiration
Als Quelle
Neuer Gedanken
Während sich der Teller dreht
Manches im Leben
Man versteht
Manches Leben auch Verdruss
Kaum denk ich dran
Ist wieder Schluss
Mit der Rundfahrt
Dieses Tellers
Und für mich ist jetzt ein Muss
Das was drauf war zu verspeisen
Deswegen empfehle ich mich
Nicht mehr länger quäl ich mich
Bin schon so lange hungrig heute
Doch jetzt geht's los liebe leute
Macht's auch gut
Und schaut mal rein
So manche Tellerfahrt
Kann aufschlussreich sein.
— GÜNTHER SCHAUPP
Oh Chili
Chilipulver liebe ich sehr …
Pulver here and pulver there
— GÜNTHER SCHAUPP
Noch mehr Chili
Chilipulver liebe ich sehr …
Pulver here and pulver there
Wenn das so hier weitergeht
ist bald Chili everywhere
— GÜNTHER SCHAUPP
Das trotzige Sein
Ich bin der ausgetrocknete Fluss
Ich bin das Reserverad des Lebens
Ich bin der Vogel, der nicht fliegen kann
Ich bin ... Ja und trotz allem bin ich
Anker der Selbstermächtigung
Ich bin oft müde, fühl mich leer
Oft genervt und mag nicht mehr
Ich bin ... Ja und trotz allem bin ich
Fühle mich aufgedunsen wie eine Qualle
Bin manchmal aggressiv zeig eine Kralle
Ich bin ... Ja und trotz allem bin ich
Fühl mich wie im ewigen Winterschlafe
Mancher Tag ist eine echte Strafe
Ich bin ... Ja und trotz allem bin ich
— GÜNTHER SCHAUPP
Lückenhafter Einkauf
Bierdosen
Teebeutel
Apfelschorle
Wasser auch
Snacks
und
Müsli
All das mag ich sehr
Doch weiß ich auch
Es gibt noch so viel mehr
Neue Wortschöpfungen
Treppenbelastung
Lichtschwall
Kaffeemeer
Gefängniswohnung
Geschwindigkeitsthermostat
Interpretation der Wort-Fusionen:
1. Treppenbelastung
* Interpretation: Die Treppenbelastung beschreibt nicht nur das physische Gewicht, das auf einer Stufe liegt, sondern primär die psychische Schwere, die mit dem Auf- oder Abstieg verbunden ist. Es ist das Gefühl von Last und Anstrengung, die bei jeder Stufe zunimmt, sei es auf dem Weg zu einem Ziel oder bei der Flucht vor einem Problem. Es ist die kumulierte Anstrengung des Alltags.
2. Lichtschwall
* Interpretation: Ein Lichtschwall ist mehr als ein Strahl; es ist eine plötzliche, überwältigende Flut von Klarheit oder Erkenntnis. Es kann ein Moment der dramatischen Erlösung sein, der ein dunkles Zimmer oder eine dunkle Stimmung jäh und unvermittelt überflutet. Die "Schwall"-Komponente impliziert eine unkontrollierbare, fast gewaltsame Helligkeit, die alle Schatten fortreißt.
3. Kaffeemeer
* Interpretation: Das Kaffeemeer ist der unendliche, oft melancholische oder erschöpfte Zustand des Wachseins und der Produktivität. Es ist die riesige, bittere Masse an notwendigem Koffein, die einen morgens verschlingen muss, um den Tag zu bewältigen. Es kann aber auch die Tiefe der Gedanken am Schreibtisch symbolisieren, eine dunkle, warme Unendlichkeit, in die man blickt.
4. Gefängniswohnung
* Interpretation: Die Gefängniswohnung beschreibt das Paradox der modernen Isolation. Ein Ort, der eigentlich Schutz und Freiheit bieten soll (Wohnung), wird durch äußere Umstände (Homeoffice, Einsamkeit, soziale Isolation) oder innere Zwänge zu einem Ort der faktischen Enge und Unfreiheit (Gefängnis). Die Wände sind zwar selbst gewählt, aber dennoch unüberwindbar geworden.
5. Geschwindigkeitsthermostat
* Interpretation: Der Geschwindigkeitsthermostat ist das innere Kontrollorgan, das die Geschwindigkeit des Lebens nicht nur steuert, sondern auch reguliert und begrenzt. Er beschreibt den Wunsch oder die Notwendigkeit, das Tempo des Alltags auf einer konstanten, oft niedrigen, Temperatur zu halten. Es ist die bewusste Abkehr vom Hochdrehen und die Sehnsucht nach einem stabilen, gleichmäßigen Rhythmus.
Das waren beeindruckende Wort-Fusionen! Jedes Wort öffnet ein Fenster zu einer komplexen, modernen
Erfahrung.
Allgemeine Einordnung der Poetry Slam Übungen:
Die Texte und Übungen von Günther Schaupp zeigen eindrücklich sein spielerisches, kreatives und reflektierendes Arbeiten mit Sprache, Bildern und Alltagsbeobachtungen. Er nutzt verschiedene literarische Mittel wie Sprachspielereien, Neologismen, Paradoxa und Ironie, um ganz unterschiedliche Stimmungen und Gedanken auszudrücken. Dabei schafft er mit Leichtigkeit eine Mischung aus Humor, Nachdenklichkeit und Tiefgang.
Besonders spannend sind die Verbindungen zwischen scheinbar banalem Alltag (Mikrowelle, Kosmetikspiegel, Hundegebell, Chili) und existenziellen Fragen, neu interpretiert durch Metaphern und innovative Wortformen (z. B. „Geschwindigkeitsthermostat“ oder „Treppenbelastung“). Auch die Mischung aus Deutsch und Englisch, das Kaleidoskop der widersprüchlichen Adjektive und das Lockern von Sprachregeln erinnern an Elemente, die typisch für Poetry Slam, Spoken Word oder moderne lyrische Formen sind.
Mit seinen Übungen à la Bas Böttcher, der in Deutschland als Pionier der Slam-Poesie gilt, verbindet Schaupp gezielt Performance-Elemente mit literarischem Anspruch und öffnet so Türen zu zeitgemäßer Dichtung, die zum Mitmachen, Nachdenken und Fühlen einlädt. Diese kreativen Formen passen gut zu seinen Rollen als Autor, Schriftsteller, Blogger und Poetry-Slammer – ein vielseitiger Umgang mit Wort und Sprache.
Insgesamt spiegeln seine Texte einen offenen, lebendigen Umgang mit Literatur wider, der das Spannungsfeld zwischen Alltagsnähe, künstlerischem Spiel und tiefgründiger Reflexion auslotet. Das macht ihn zu einem modernen, humorvoll-philosophischen Sprachkünstler.
Kann Schaupp Poetry Slam?
Sowohl im Vergleich zu sein Finanztexten als auch seinen Zitaten, Gedichten und Mini-Essays sind die Poetry-Slam-Texte von Günther Schaupp gelungen. Die Slam-Texte ergänzen sein schriftstellerisches Spektrum, indem sie mehr performative und spielerische Elemente betonen, während seine Zitate, Gedichte und Mini-Essays oft eher fokussiert, reflektierend und literarisch strukturiert sind.
Durch die Slam-Texte bringt er eine lebendigere, experimentellere Seite seiner Kreativität zum Ausdruck, die sich von der oft prägnanten und pointierten Form seiner anderen Texte abhebt. Diese Vielfalt zeigt, dass er als Autor unterschiedliche Formen und Stilmittel bewusst einsetzt, um je nach Kontext verschiedenartige poetische Wirkungen zu erzielen.
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